Extruderdimensionierung & Schneckendurchmesser – was Sie beachten sollten…

Die Wahl der richtigen Extrudergröße basiert auf vielen verschiedenen Faktoren und kann einen entscheidenden Einfluss auf die erreichbare Produktqualität und auch auf die erreichbare Produktivität der Produktion haben. Pauschale Aussagen sind oft nicht korrekt und somit gründlich zu hinterfragen, bevor diese im Produktionsalltag umgesetzt werden.

Wann entsteht eigentlich die Frage nach dem richtigen Extrusionssystem?

­In vielen Betrieben sieht die Situation so aus, dass die zu extrudierenden Produkte nicht nur auf einer einzelnen speziell dafür ausgewählten Linie hergestellt werden sollen, sondern dass je nach Verfügbarkeit ein und dasselbe Produkt auf unterschiedlichen Extrusionslinien hergestellt werden muss. Die Linien werden dann je nach Bedarf mit den entsprechenden Werkzeugen ausgerüstet und die Produktion mit jeweils zu der Linie passenden Produktionsparametern angefahren.

In solchen Fällen kommt es vor, dass identische Produkte mal auf einem (z.B.) 45er Extruder und an einem anderen Tag auf einem 75er Extruder produziert werden. Zwingenderweise müssen dabei stark unterschiedliche Prozesse gefahren werden, so dass die Produkteigenschaften zum Teil stark variieren können. Treten hierbei Qualitätsprobleme auf, wird häufig die Frage aufgeworfen, inwiefern die Extrudergröße das Produkt beeinflussen kann.

Eine andere Situation in der regelmäßig die Frage nach der optimalen Extrudergröße auftaucht, ist bei der Investition in Neuanlagen. Hierbei muss unterschieden werden, ob die neue Anlage speziell für einen Dauerläufer angeschafft werden soll, also für ein spezielles Produkt optimal dimensioniert sein soll, oder ob die neue Anlage für ein gewisses Spektrum an Produkten geeignet sein soll, somit möglichst flexibel einsetzbar sein soll.

In allen Fällen kommt der Wahl der richtigen Extrudergröße eine wichtige Aufgabe zu.

 

Extrudergröße, wie wird diese beschrieben?

Die Größe eines Extruders kann sozusagen beschrieben werden durch die drei Hauptfaktoren:

  • den Schneckendurchmesser in mm
  • die Schneckenlänge in Vielfachen des Durchmessers
  • die Antriebsleistung in kW

Ein Extruder vom Typ 45/35 (40kW) verfügt somit über einen Schneckendurchmesser von 45mm und einer Schneckenlänge von 1.620mm (45mm x 36). Die Antriebsleistung beträgt in diesem Fall 40kW.

 

Extrudergröße, relevante Daten:

Der angegebene Schneckendurchmesser bezieht sich auf den äußeren Durchmesser der Schnecke (Stegdurchmesser). Übliche Abmessungen bei klassischen Einschneckenextrudern für die Produktion liegen zwischen 30mm und 150mm, es existieren aber sowohl kleinere als auch größere Systeme.

Eine Aussage zu treffen, welchen Durchsatz (z.B. in kg/h) ein Extruder mit einem bestimmten Schneckendurchmesser erreichen kann ist nicht allgemeingültig zu beantworten, da der erreichbare Durchsatz immer von vielen weiteren Parametern wie etwa dem Schneckendesign, dem zu verarbeitenden Material und weiteren Parametern wie etwa dem Anlagenaufbau oder der Antriebsleistung abhängig sein kann.

So lassen sich in der Praxis auf tief geschnittenen Schnecken mit einem großen freien Volumen (sogenannte durchsatzintensive Schnecken) höhere Durchsatzleistungen (bei geringem Druckaufbaubedarf) erzielen, als mit flach geschnittenen Schnecken mit geringerem freien Volumen (sogenannte druckintensive Schnecken). Hinsichtlich der Schneckenlänge kann überschlägig die Aussage getroffen werden, dass längere Systeme die Homogenisierleistung und Mischleistung des Extruders verbessern, jedoch aufgrund der längeren Verweilzeiten bei sensiblen Materialien zu Abbau führen können. Zudem steigt der Zeit- und Materialaufwand beim „Spülen“ des Systems wie zum Beispiel bei Farbwechseln.

Die Antriebsleistung des Extruders kann ebenfalls eine limitierende Größe sein, diese ist jedoch in der Praxis heutzutage meist eher über- als unterdimensioniert.

Die im Folgenden vorgestellten Ansätze dienen somit nur als Hilfestellung bei der Auswahl einer Extrudergröße und stellen keine allgemeingültigen Kriterien dar. Dennoch möchten wir versuchen, hier eine kleine Auswahlhilfe zu definieren.

 

Extruderauswahl:

Zur Auswahl eines Extruders sollten verschiedene Gesichtspunkte mit in der Auswahl berücksichtigt werden:

Gewünschter Durchsatz:

Der in der Anwendung benötigte zu erzielende Durchsatz gibt schon eine grobe Vorstellung von der ungefähren Dimensionierung des Extruders. Folgende Tabelle zeigt eine überschlägige Zusammenfassung für Durchsatzleistungen verschiedener Schneckendurchmesser mit Standard-Schneckengeometrie (3-Zonen), jeweils bezogen auf realistische maximale Durchsätze bei der Verarbeitung von PEHD und PPH.

Im Folgenden sehen Sie ein Diagramm mit Zusammenhängen zwischen Schneckendurchmesser und maximal erreichbarem Durhcsatz, basierend auf Erfahrungswerten. Diese Grafik ist nicht allgemeingültig und nicht übertragbar, sondern dient lediglich zur Veranschaulichung der großen Abhängigkeiten.

(Spezialanwendungen wie beispielsweise High-Speed-Extrusionskonzepte mit enorm hohen Schneckendrehzahlen (High-Speed Extrusion >1m/s Umfangsgeschwindigkeit) werden hierbei nicht berücksichtigt.)

Anhand derartiger Angaben, die in der Regel von den verschiedenen Anlagenbauern für Extruder bezogen werden können, kann schon eine grobe Auswahl getroffen werden, in welcher Größenordnung der Schneckendurchmesser liegen sollte, damit der maximal geforderte Durchsatz realisiert werden kann. Wichtig ist jedoch, dass derartige Angaben immer materialspezifisch sind und nicht ohne weiteres auf andere Materialien übertragen werden können.

Ein weiterer Aspekt der bei der Auswahl des Extruders von entscheidender Bedeutung ist, ist jedoch nicht nur der Durchsatz, sondern auch die bei der jeweiligen Drehzahl auftretenden Umfangsgeschwindigkeiten der Schnecke.

Ist beispielsweise geplant einen Ausstoß von 400kg/h zu realisieren, kann dies beispielsweise in folgenden Konfigurationen erreicht werden (beispielhafte Daten, nicht allgemeingültig):

  • 60er Extruder bei 220 U/min  –>  Umfangeschwindigkeit: 0,691m/s
  • 75er Extruder bei 160 U/min  –>  Umfangeschwindigkeit: 0,628m/s
  • 90er Extruder bei 110 U/min  –>  Umfangeschwindigkeit: 0,518m/s
  • 105er Extruder bei 80 U/min  –>  Umfangeschwindigkeit: 0,440m/s

Es ist logisch, dass ein vergleichsweise kleiner Extruder zur Erreichung des Durchsatzes eine höhere Schneckendrehzahl benötigt, als ein größerer Extruder. Mit der Schneckendrehzahl steigt jedoch auch direkt die Umfangsgeschwindigkeit der Schnecke. Wird nun berücksichtigt, dass hohe Umfangsgeschwindigkeiten aufgrund der hohen Reibung und Scherung im Zylinder das Material schädigen können, wird schnell klar, dass eine materialschonende Verarbeitung eher auf langsam laufenden Anlagen realisierbar ist. Gleichzeitig steigt bei größeren Extrudern aber auch die Verweilzeit der Schmelze im System, so dass sensible Materialien thermisch geschädigt werden können.

In welcher Größenordnung die erlaubten Umfangsgeschwindigkeiten des jeweiligen Materials liegen, kann in der Regel den Verarbeitungshinweisen des Rohstoffherstellers entnommen werden.

Typische Werte für erlaubte Umfangsgeschwindigkeiten liegen in dieser Größenordnung:

Mit Kenntnis des gewünschten Ausstoßes des Extruders und unter Berücksichtigung der Verarbeitungsvorgaben des Materialherstellers, ist es dann möglich eine Größenauswahl für den Extruder zu treffen.

Die folgende Tabelle und das folgende Diagramm zeigen die sich ergebende Umfangsgeschwindigkeit für unterschiedliche Drehzahlen und Schneckendurchmesser:

 

 

Beispiel (fiktive Werte, nicht allgemeingültig):

Es soll ein Durchsatz von 300kg/h mit einem Polycarbonat (PC) Material realisiert werden. Den Verarbeitungshinweisen des Herstellers kann eine kritische Umfangsgeschwindigkeit von 0,3 m/s für dieses Material entnommen werden. Zur Auswahl stehen ein 60er und ein 75er Extruder.

Der 60er Extruder würde diesen Durchsatz vermutlich bei einer Schneckendrehzahl von ca. 170 U/min realisieren können. Dabei wären die Umfangsgeschwindigkeiten ca. 0,5 m/s.

Der 75er Extruder könnte den Durchsatz bei Drehzahlen von ca. 100 U/min realisieren. Dabei würden Umfangsgeschwindigkeiten von ca. 0,39 m/s auftreten.

Beide Extruder wären somit nicht für eine Verarbeitung des Materials mit dem gewünschten Durchsatz geeignet.

Auf dem 60er Extruder würden die maximalen Umfangsgeschwindigkeiten bei ca. 85 U/min erreicht werden. Bei dieser Drehzahl wäre ein Durchsatz von ca. 115 kg/h realistisch.

Auf dem 75er Extruder würden die maximalen Umfangsgeschwindigkeiten bei ca. 75 U/min erreicht werden, hier wäre somit ein Durchsatz von ca. 190 kg/h realisierbar.

 

Betrachtung der Antriebsleistung

Ein weiterer Aspekt der bei der Auswahl oder Dimensionierung des Extruders noch berücksichtigt werden muss, ist die Auslegung der Antriebsleistung. Als erstes Indiz für die Auslegung der Antriebsleistung kann die Energiemenge herangezogen werden, die notwendig ist um das zu verarbeitende Material auf Verarbeitungstemperatur aufzuwärmen.

Soll beispielsweise ein PC von Umgebungstemperatur auf 270°C erwärmt werden, wären bei einem gewünschten Durchsatz von 200 kg/h ca. 25 kW rein thermische Leistung notwendig.

Aufgrund der Verluste die in einem Extruder auftreten und der zusätzlichen Energie die zum Druckaufbau benötigt wird, werden heutige Extruder jedoch in der Regel min. mit dem 2,5-fache dieser Leistung ausgestattet.

 

Betrachtung der Verweilzeit

Als Verweilzeit wird der Zeitraum verstanden, den ein Kunststoffpartikel von seinem Eintritt in den Extruder bis zum Austritt aus dem Extruder im System verweilt. Je länger die Verweilzeit ist, desto eher kann das Material im System geschädigt werden und thermisch degradieren. Grundsätzlich ist es ratsam, mit möglichst kurzen Verweilzeiten zu extrudieren, es sei denn die geforderte Homogenisierleistung reicht dann nicht aus.

Zur ganz überschlägigen Berechnung der Verweilzeit kann entsprechend physikalischer Grundgesetze der Quotient aus dem mit Schmelze gefüllten Volumen des Extruders und dem Volumenstrom der Schmelze gebildet werden. (In unserem kostenlosen Downloadbereich für Premium Mitglieder finden Sie ein Excel Tool zur Berechnung der Verweilzeit.)

Wird beispielsweise davon ausgegangen, dass in dem Extruder ein mit Schmelze gefülltes Volumen von 3.000 cm³ vorhanden ist und mit einem Durchsatz von 100 kg/h produziert wird, beträgt die mittlere Verweilzeit bei einer angenommenen Dichte von 1.000 kg/m³ ca. 108 Sekunden.

Zur Bestimmung der überschlägigen Verweilzeit ist es aber notwendig, das Design der Schnecke und des Extruders sowie auch den Füllgrad des Systems möglichst exakt zu beschreiben. Die angegebene Berechnung eignet sich somit nur als überschlägige Betrachtung.

Generell kann jedoch gesagt werden, je höher die Temperaturen der Schmelze sind, desto geringer sollten die Verweilzeiten sein. Auch hier sind die Verarbeitungshinweise des Materialherstellers ein wichtiger Anhaltspunkt.

 

Fazit:

Bei der Auswahl bzw. Auslegung eines Extruders sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, die alle miteinander in Abhängigkeit stehen und in der Regel auch sehr stark materialspezifisch betrachtet werden müssen.

Ein Universalextruder, der alle Anforderungen in gleicher Qualität erfüllen kann ist schlicht und ergreifend unmöglich. Jede Extruderdimensionierung ist ein Kompromiss aus unterschiedlichen Größen und muss somit speziell für den Anwendungsfall betrachtet werden.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig, neben der reinen Erreichbarkeit eines gewünschten Durchsatzes auch weitere Aspekte (Umfangsgeschwindigkeit, Verweilzeit) im Hinterkopf zu haben. Die Vernachlässigung dieser Aspekte führt in der Praxis immer wieder zu erheblichen Qualitätsunterschieden bei der Produktion von vermeintlich identischen Produkten, wenn diese auf unterschiedlichen Anlagen produziert werden.

 

Melden Sie sich hier (kostenlos) als Premiummitglied an und erhalten Sie Zugang zu unserem Downloadbereich. Dort finden Sie ein Excel-Tool zur Extruderauslegung, Berechnung der Umfangsgeschwindigkeit, der Verweilzeit sowie andere Hilfsmittel und Checklisten. Zudem bleiben Sie als Premium-User stets informiert über neue Beiträge.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.