Veränderungen in Unternehmen – Hürde und Chance zugleich

Jede Optimierung, egal ob es sich um eine technologische, verfahrenstechnische oder eine ablauftechnische Maßnahme handelt, macht in aller Regel eine Anpassung von Verhaltensweisen notwendig. Eine Anpassung von Verhaltensweisen, gerade wenn das zu verändernde Verhalten über Jahre praktiziert worden ist, fällt oft nicht leicht und stellt in vielen Fällen eine Hürde dar, dessen Überwindung oft weitreichende Probleme in sich tragen kann. Doch es existieren hierzu Methoden und Werkzeuge, die derartige Veränderungsprozesse unterstützen können und sowohl zur Steigerung der Qualität als auch der Zufriedenheit der Mitarbeiter beitragen können.

„Das machen wir seit 15 Jahren so und es war immer gut genug, warum sollen wir es jetzt auf einmal anders machen?“

Jeder der versucht Prozesse zu optimieren oder Veränderungen in Unternehmen zu etablieren, hat Aussagen wie die oben aufgeführte schon einmal gehört. Aber warum ist das so? Warum weigern sich Kollegen oder Mitarbeiter manchmal so vehement, eine Veränderung anzunehmen und diese umzusetzen?

 

Eine Bain-Studie ergab: „Nur zwölf Prozent der Unternehmen schließen Transformationsprozesse erfolgreich ab, 20 Prozent scheitern.“  (Quelle: www.cio.de)

Aber warum ist das so? Warum sind Veränderungen immer schwer zu etablieren und warum kommt es immer wieder dazu, dass Verbesserungen in Produktionsprozessen von den Kollegen/Mitarbeitern nicht angenommen oder sogar boykottiert werden?

 

„Die Ursache liegt in der Psychologie des Menschen“

Zu diesem Sachverhalt existieren vielzählige psychologische Untersuchungen, die versuchen das menschliche Verhalten zu verstehen, zu erklären und in verständliche Schritte oder Phasen einzusortieren. Ein kleiner Einblick in diese Forschungsarbeiten zum Thema „Change Management“ soll im Folgenden einmal dargestellt werden.

Ein in diesem Zusammenhang immer wieder herangezogener Begriff ist die sogenannte Komfortzone. Die Komfortzone beschreibt einen durch Gewohnheiten definierten Bereich eines Menschen, in dem er sich wohl und sicher fühlt.

In der Literatur wird das Vorhandensein einer Komfortzone häufig schon dem Urmenschen unterstellt: Eine einmal entdeckte und bezogene Höhle wird als Zufluchtsort gewählt und ein Umzug in eine andere Region kommt nicht in Frage, auch wenn eine andere Höhle entdeckt wird, die vielleicht größer, trockener oder besser gelegen ist. Jeder von uns kennt diese Art zu handeln, entweder von sich selbst oder von Personen aus dem näheren Umfeld.Aber gleiches gilt auch heute noch. Wer kennt nicht mindestens einen Menschen, der gerne Jahr für Jahr an den gleichen Urlaubsort fährt oder der ausschließlich bei seinem Lieblingsbäcker einkauft?

Die Komfortzone beschreibt die Zone in der sich der Mensch gerne bewegt und es fällt ihm leicht mit der Umwelt zu interagieren. In der Komfortzone fühlen wir uns sicher, wohl und sind selbstbewusst. Hier sind wir vorbereitet auf die Dinge, die uns im Alltag begegnen und lassen uns von diesen Dingen nicht aus der Reserve locken.

Neben der Komfortzone existieren im sogenannten Drei-Sektoren-Modell aber auch noch die Wachstumszone sowie die Panikzone. Verlässt man durch sein Verhalten die Komfortzone (oder wird durch einen plötzlichen Umstand – beispielsweise eine Veränderung im Unternehmen – herausgeworfen) gelangt man automatisch in eine dieser Zonen.

In der Wachstumszone fällt uns das Handeln schwieriger, wir fühlen uns weniger sicher als in unserem gewohnten Umfeld bzw. Handlungsbereich und Aktionen erfordern mehr Energie. Hierbei können unangenehme Gedanken aufkommen oder sogar Ängste entstehen. Auch körperliche Reaktionen können beim Verlassen der Komfortzone auftreten. Beispiele sind vermehrtes Schwitzen, feuchte Hände oder zittern – wie etwa bei einer Präsentation vor vielen Menschen.

Die dritte Zone, die sogenannte Panikzone, ist geprägt durch negativen Stress und Unsicherheit. Werden wir so weit aus unserer Komfortzone herausgeholt, dass wir in die Panikzone gelangen fällt es uns schwer Dinge zu schaffen. Auch Aufgaben, die innerhalb unserer Komfortzone leicht zu bewältigen wären, können von uns nun, aufgrund des Unwohlseins, oft gar nicht oder nur unter Anstrengung erledigt werden. In der Panikzone sind wir nur eingeschränkt handlungsfähig, meist liegt unser Bestreben darin, möglichst schnell aus dieser Zone wieder in die Komfortzone zurückzugelangen, sofern die Möglichkeit dazu besteht.

Fakt ist: Niemand verlässt gerne seine Komfortzone!

Aber: Wie groß die eigene Komfortzone ist, ist sehr unterschiedlich und stark vom Individuum abhängig. Zudem ist es auch so, dass die Komfortzone nicht statisch ist, sondern diese sich kontinuierlich verändern und somit vergrößern aber auch verkleinern kann. Die Art und Weise wie wir in unserem Leben agieren, führt dazu, dass sich unsere Komfortzone entweder ausweitet oder dass diese schrumpft, letztendlich ist alles eine Sache des Trainings. Menschen die es gewohnt sind Neues zu probieren und offen sind für Veränderungen trainieren unbewusst ihre Komfortzone und erweitern diese, so dass ein Übergang in eine der anderen Zonen unwahrscheinlicher wird und somit seltener auftritt.

Die Kenntnis darüber, dass diese Zonen existieren, kann im übertragenen Sinne also sehr hilfreich dabei sein, Veränderungen im eigenen Unternehmen zu etablieren und insbesondere auch dabei, das Verhalten von Mitarbeitern, Kollegen oder auch Vorgesetzten zu verstehen.

 

Veränderungen in 7 Phasen

Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang hilfreich ist um Verhaltensweisen zu verstehen, wird im sogenannten Modell von den „7 Phasen der Veränderung“ beschrieben. (Quelle: Gerhard Fatzer)

Dieses Modell beschreibt modellhaft die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz im Verlauf einer Veränderung. Der Verlust an wahrgenommener Kompetenz wiederum kann dazu führen, dass die Komfortzone verlassen wird. Somit sind beide Modelle eng miteinander verknüpft. Die Phasen dieses Modells sind im Einzelnen im Folgenden dargestellt.

Die 7 Phasen der Veränderung:

  1. Phase: Schock
  2. Phase: Ablehnung
  3. Phase: Rationale Einsicht
  4. Phase: Emotionale Akzeptanz
  5. Phase: Lernen
  6. Phase: Erkenntnis
  7. Phase: Integration

 

Als beispielhaftes Szenario für eine oft als unangenehm empfundene Veränderung wird hier die Einführung eines Zeiterfassungssystems herangezogen und an diesem Beispiel werden die verschiedenen Phasen erläutert.

Schockphase:

Unmittelbar nach der Bekanntmachung der Veränderung „Einführung des Zeiterfassungssystems“ beginnt die Schockphase. In den Köpfen der Mitarbeiter kommen die schlimmsten Befürchtungen zutage, wie sich wohl der Arbeitsalltag verändern wird. Der Mensch fühlt sich überrumpelt und handlungsunfähig. Er muss ertragen was passiert und kann es nicht ändern. Die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz ist auf einem Tiefpunkt.

Typische Gedanken: „Welche Auswirkungen wird dies auf unsere Arbeitszeiten haben?“ „Werden wir mehr arbeiten müssen?“ „Vertrauen unsere Vorgesetzten uns nicht mehr?“ „Sollen wir intensiver kontrolliert werden?“

Ablehnungsphase:

Als zweites beginnt die Ablehnungsphase. In der Ablehnungsphase wird versucht am bisherigen festzuhalten und das bisherige wird glorifiziert, wohingegen das neue verteufelt wird. In der Ablehnungsphase wird der „aktive Kampf“ gegen die Veränderung aufgenommen werden. Der Versuch sich zu wehren wird stärker, dies gibt ein Gefühl von Handlungsfähigkeit, dadurch steigt das Selbstvertrauen vorübergehend. Die Wahrnehmung der eigenen Kompetent ist fast auf dem Urpsrungsniveau.

Typische Gedanken: „Früher war alles besser, da wurde uns noch vertraut.“ „Lasst uns zusammenhalten und denen da oben zeigen dass wir nicht alles mit uns machen lassen!“ „Lasst uns streiken oder das System boykottieren.“

Phase der rationalen Einsicht:

Mit fortschreitender Veränderung beginnt der Mensch, sich mit dem Gedanken anzufreunden. Er überdenkt die Auswirkungen der Veränderungen rational und beginnt evtl. darin auch Vorteile zu sehen. Die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz sinkt wieder, es kommt die Einsicht, dass man die Bedienung des „neuen“ Zustandes erst wieder erlernen muss.

Typische Gedanken: „Dann glaubt mir mein Chef vielleicht endlich mal, dass ich viel mehr arbeite als meine Kollegen.“ „Vielleicht habe ich dann die Möglichkeit auch mal Überstunden bezahlt zu bekommen.“

Phase der emotionalen Akzeptanz:

Nachdem der Kopf schon begonnen hat sich damit abzufinden, dass die Veränderung aus rationaler Sicht gar nicht so verkehrt ist, beginnt auch ein emotionales Umempfinden. Das „alte“ wird losgelassen und es wird begonnen sich mit dem „neuen“ anzufreunden. Die eigene Kompetenz wird aber als sehr gering wahrgenommen, es ist klar dass die Veränderung kommen wird, man hat sie rational verstanden und emotional akzeptiert, aber man fühlt sich dennoch überrumpelt und ist unsicher was auf einen zukommen wird.

Typische Gedanken: „Ich habe es immer genossen wie es war, aber ich glaube es wird schon gut werden, vielleicht sogar etwas besser.“ „Hoffentlich kann ich das überhaupt bedienen dieses neue System.“

Phase des Lernens:

Es beginnt die Phase, in der man sich aktiv mit der neuen Situation auseinandersetzt. Es werden erste Schulungen besucht. Es wird aktiv Kompetenz aufgebaut. Die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz steigt enorm.

Typische Gedanken: „Ach, das ist ja gar nicht so schwer.“ „Habe ich mir aber schwerer vorgestellt.“

Phase der Erkenntnis:

Der vollständige Nutzen der Maßnahme kann überblickt werden und wird ersichtlich. Die Integration in den Alltag beginnt. Die Ängste verblassen, da die eigene Kompetenz stark gewachsen ist.

Typische Gedanken: „Das neue System ist klasse und bringt mir deutliche Vorteile.“

Phase der Integration:

Das Ziel ist erreicht und in den Alltag integriert. Es liegt nun innerhalb der Komfortzone des Menschen und kann selbstbewusst und souverän angewendet werden. Es wird zu einer Routine.

 

Das Beispiel soll zeigen, was in uns Menschen vorgeht, wenn wir mit einer Veränderung konfrontiert werden. Jeder wird eine Situation aus seiner Erfahrung kennen, in der er sich selbst schon einmal so gefühlt hat, dass etwas ohne sein Zutun entschieden wurde. Jeder wird auch nachvollziehen können, dass es eine gewisse Weile dauert, bis die Veränderung akzeptiert und umgesetzt werden kann. Das zuvor dargestellte Phasenmodell zu kennen, hilft ungemein dabei, das eigene aber auch das Verhalten von Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten zu verstehen, zu akzeptieren und gefühlvoll darauf reagieren zu können.

 

Ratschläge zur Durchführung von Veränderungen:

1. Einbindung von Mitarbeitern, Motivation und Kommunikation

Ziehen Sie Ihre Mitarbeiter und Kollegen ein. Je mehr der Mensch seine Zukunft mitgestalten kann und je früher er in den Entscheidungsprozess eingebunden wird, desto weniger stark ist der Schock. Kommunizieren Sie Veränderungen frühzeitig. Veränderungen die sich langsam ankündigen werden als weniger gravierend empfunden.

2. Das Wissen der Mitarbeiter nutzen

Die Belegschaft verfügt über viel Wissen, das sinnvoll genutzt werden kann. Übertragen Sie Verantwortung an Ihre Mitarbeiter, so dass diese sich Mitgestalter fungieren können.

3. Training, Kompetenz

Bei einer Veränderung von bestehenden Prozessen muss der neue Prozess erst erlernt werden. Unterstützen Sie Ihre Belegschaft dabei, sich auf die neue Situation vorzubereiten. So erreichen Sie eine Situation, in der die Veränderung den Mensch nicht so vehement aus seiner Komfortzone herausreißt, er fühlt sich vorbereitet, er weiß was kommen wird und er kann damit umgehen. Wenn Sie externe Unterstützung einbinden, kommunizieren Sie die Gründe dafür.

4. Durchhaltevermögen

Beweisen Sie Durchhaltevermögen. Jede Veränderung benötigt Zeit. Je gravierender die Veränderung ist, desto mehr Zeit wird benötigt, bis diese im Unternehmen etabliert ist. Haben Sie Geduld und bleiben Sie dennoch konsequent am Ball. Fehlendes Durchhaltevermögen ist einer der Hauptgründe für das Aufkommen von Zweifeln und damit dem Scheitern eines Projektes.

„Stellen Sie sich vor Sie segeln mit einem Schiff aufs Meer. Irgendwann verschwindet der Heimathaften aus Ihrer Sichtweite, aber Sie sehen den Zielhafen noch nicht. Bleiben Sie dennoch auf Kurs.“

 

Veränderungsprozesse sind wichtiger Bestandteil und unablässig in allen Unternehmensbereichen. Getreu dem Motto: „Wer aufhört besser zu werden, hört auf gut zu sein“ ist es unabdingbar Veränderungen in Unternehmen durchzuführen und zu etablieren. Grundkenntnisse darüber, was im Kopf eines Menschen abläuft, wenn eine Veränderung angekündigt wird helfen dabei den Veränderungsprozess effizienter und effektiver zu gestalten.

 

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