Wie Sie die maximale Produktionsgeschwindigkeit eines Profils ermitteln

Bei der Extrusion von Profilen ist die maximale Produktionsgeschwindigkeit einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um die Kalkulation eines Angebots geht. Wird die Produktionsgeschwindigkeit höher angenommen, als später in der Praxis produziert werden kann, bedeutet dies hohe Einbußen für den Extrusionsbetrieb und stellt ein hohes wirtschaftliches Risiko dar.

Hersteller von extrudierten Profilen sind heutzutage sehr oft Lohnextrudeure und bekommen Anfragen zur Fertigung von speziellen Profilgeometrien von deren Kunden.

Die ersten Schritte des Extrusionsbetriebes sind dann meist:

  • die Analyse der Machbarkeit des Profils,
  • die Kalkulation der erreichbaren Extrusionsgeschwindigkeiten sowie darauf basierend
  • die Kalkulation der Herstellkosten bzw. die Festlegung des Angebotspreises

Der Extrusionsbetrieb muss somit dem Kunden, bereits vor der Fertigung des Extrusionswerkzeuges, des Kalibers sowie vor dem Einfahren der Linie und der Abmusterung des Produktes einen verbindlichen Verkaufspreis in €/m Produkt nennen. Zur Kalkulation dieses Preises ist die zuverlässige Bestimmung einer realistischen Produktionsgeschwindigkeit des Profiles einer der wichtigsten Faktoren der über die Wirtschaftlichkeit des gesamten Auftrages bestimmt.

Die Berechnung der maximalen Produktionsgeschwindigkeit ist jedoch kein leichter Schritt, insbesondere dann wenn es sich um komplexe Hohlkammerprofile handelt. Innenliegende Bereiche des Profils können nicht aktiv gekühlt werden und die Luftkammern isolieren die innenliegenden Bereiche thermisch sehr gut. Dies in Kombination mit den ohnehin schon sehr geringen Wärmeleitfähigkeiten von Kunststoffen führt zu teilweise sehr langen Kühlzeiten bzw. zu nur geringen möglichen Liniengeschwindigkeiten.

Aufgrund der Komplexität der Profilgeometrien stoßen auch erfahrene Konstrukteure und Extrudeure bei einer solchen Auslegungsaufgabe regelmäßig an Ihre Grenzen, da die thermodynamische Situation analytisch kaum berechenbar ist.

Exakt für derartige Aufgaben (und viele andere) wurde das Modul profileSIM der chillWARE Abkühlsimulation entwickelt, deren Einsatz im Folgenden anhand eines Beispielsprofils einmal anschaulich dargelegt werden soll (beispielhaft durchgeführt an einer frei im Netz verfügbaren Fensterprofilzeichnung der Firma Aluplast / IDEAL 8000):

1. Die Anfrage zur Angebotsabgabe erfolgt überlicherweise durch Übersendung einer Zeichnung des Soll-Profilquerschnitts als zweidimensionale Zeichnungsdatei.

2. Diese Skizze der Profilgeometrie wird in die chillWARE Abkühlsimulation importiert und es werden die Randbedingungen der einzelnen Simulationsbereiche definiert. Das Programm erkennt dabei automatisch den Profilbereich, die äußere Begrenzung des Profils sowie die unterschiedlichen innenliegenden Hohlkammern und parametriert diese mit typischen Werten. Selbstverständlich ist eine Anpassung der Randbedingungen auf der Basis des eigenen Erfahrungsschatzes jederzeit möglich.

Abbildung: Automatische Erkennung der Profilgeometrie und automatische Parametrierung von Randbedingungen

 

3. Nachdem die Geometrie importiert und die Randbedingungen gesetzt wurden, wird der automatische Vernetzungsalgorithmus der chillWARE aktiviert, mit dessen Hilfe die Profilgeometrie in ein finite Elemente Netz (Tetraeder) diskretisiert wird. Durch Benutzereingriff ist eine Anpassung der maximalen Elementgröße möglich, wie in der unteren Grafik ersichtlich. Werden die Standardeinstellungen beibehalten, wählt das System automatisiert eine optimale Elementgröße auf der Basis der Geometriedaten.

 

4. Zur Definition des Produktionsparameter wird als nächstes, aus einer im Programm enthaltenen Materialdatenbank ein Kunststoff-Material ausgewählt. Für sämtliche in der Software hinterlegten Materialtypen sind die vollständigen thermodynamischen Charakteristiken (für den Abkühlprozess!) aus eigenen Labormessungen hinterlegt. Eine eigenständige Erweiterung der Materialdatenbank ist aber jederzeit durch den Anwender möglich. Die in der Software hinterlegten Daten enthalten mindestens die Wärmeleitfähigkeit des Materials, die Dichte, die spezifische Wärmekapazität sowie die Enthalpie in Abhängigkeit der Temperatur sowie weitere Werte wie den E-Modul, den Wärmeausdehnungskoeffizient, etc. in skalarer Form.

Abbildung: Beispiel eines Materialmodells aus der chillWARE Materialdatenbank

 

5. Im nächsten Schritt wird ein virtuelles Abbild der Kühlstrecke der Produktionslinie erstellt. Dazu wird aus einer Bibliothek an Standardelementen sowie durch Definition der realen Kühlwassertemperaturen und Segmentlänge eine virtuelle Kühlstrecke erstellt. Die Standardbliblithek verfügt dabei über sämtliche Systeme die an Profilextrusionslinien zum Einsatz kommen, angefangen von unterschiedlichen Kalibern über Tauch- und Sprühkühltanks bis hin zu Abzügen, Sägen oder auch speziellen Heizstationen (IR, Gas, etc).

 

6. Starten einer Einzelsimulation oder automatisierte Durchführung einer iterativen Optimierung

Die thermische Prozesssituation des definierten Projektes bestehend aus den Teildefinitionen (Material, Geometrie, Prozess, Kühlstrecke) wird nun von der chillWARE 3D Engine berechnet und grafisch visualisiert.

Die Ergebnisse beinhalten dabei die vollständige thermodynamische Situation des Profils an jeder beliebigen Stelle innerhalb der Kühlstrecke und an jedem beliebigen Punkt innerhalb der Geometrie. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in Diagrammform, als Farbkonturplot oder als Animation der Abkühlsituation, wobei in den einzelnen Darstellungsarten besonders relevante Bereiche (z.B. der Hot-Spot (heißeste Punkt) oder der Cold-Spot (kälteste Punkt)) in der Grafik automatisiert ermittelt und angezeigt werden.

Zudem werden die Kühlgradienten in Form von Pfeilen variabler Länge (Länge repräsentiert den Gradientenwert) dargestellt sowie dreidimensionale Diagramme zur Besserung Veranschaulichung besonderer Teilergebnisse ermöglicht.

Selbstverständlich stehen in allen Ergebnisdarstellungen die typischen Funktionen Drehen, Schwenken, Vergrößern, Verkleinern zur Verfügung und die Achsen können skaliert werden.

Abbildung zeigt Berechnungsergebnisse von profileSIM (Berechnungszeit ca. 35 Sekunden)

Automatische Optimierungssysteme bieten zudem die Möglichkeit, mehrere Simulationen unter Vorgabe eines Sollwertes iterativ durchzuführen, wobei einzelne Produktionsparameter variiert werden, bis eine Zielgröße erreicht werden kann.

Zurückblickend auf die Einleitung sowie die Artikelüberschrift wäre somit eine Optimierungsrechnung in folgendem Stil möglich:

 

Bestimmung der maximalen Produktionsgeschwindigkeit

Vorgabe: Geometrie, Material, verfügbare Kühlstrecke

Kritischer Wert: Hot-Spot Temperatur an der Säge

Ablauf:

Die chillWARE Simulation berechnet für eine Start-Produktionsgeschwindigkeit die Temperaturverteilung des Profils im Bereich der Säge und ermittelt, ob die maximale Temperatur oberhalb oder unterhalb der kritischen Temperatur liegt. Sofern die kritische Temperatur überschritten wurde, wird (z.B.) eine Anpassung der Kühlungsparameter (Wassertemperaturen, Stützluft, etc.) vorgenommen, um die gewünschte Produktionsgeschwindigkeit realisieren zu können. Sofern diese Maßnahmen nicht ausreichend sind, werden alternative Produktionsparameter (z.B. realistische Liniengeschwindigkeiten) ermittelt. Sofern die kritische Sägetemperatur noch nicht erreicht ist, steigert der Algorithmus die Prozessparameter, so dass eine optimale Produktivität und Prozesswirtschaftlichkeit das Ergebnis darstellen.

 

Fazit

Auf der Basis von thermodynamischen Simulationen der Profilabkühlung lassen sich eine Vielzahl wertvoller Informationen ermitteln, die helfen das Prozessverständnis zu Verbessern, Kalkulationen realistisch durchzuführen und die helfen Produtionsprobleme (Eigenspannungen, Bogenlauf, Einfall von Profilstellen, etc.) zu vermeiden.

 

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(Bei der chillWARE Abkühlsimulation handelt es sich um eine Computersimulationssoftware der Firma SHS plus, basierend auf der finite Differenzen und der finite Elemente Methode, welches speziell für den Einsatz in Extrusionsbetrieben entwickelt wurde. Die Software wurde zweimal in Folge mit dem Prädikat „Produkt des Jahres – 2.ter Platz“ des Plastverarbeiters in den Jahren 2016 und 2017 ausgezeichnet und wird international von Kunststoffverarbeitern und Maschinenbauern eingesetzt. Sofern Sie an einer persönlichen Vorstellung des Systems interessiert sind, sprechen Sie uns gerne an.)

 

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